Die Ulme im Klybeck

Im Laufe der Zeit war um das Schlösschen das Basler Arbeiterquartier Klybeck entstanden. Hier praktizierte seit Beginn der 1920er Jahre der Arzt Eduard Koechlin (1883-1964). Er wirkte mitten unter den Ärmsten der Arbeiterschicht und kannte ihre Nöte und Leiden. Mit einigen Leuten aus seinem Umfeld gründete er im Jahr 1926 die Ulme. Koechlin bewegte sich mit seinem Vorhaben auf einem Terrain das in der Idee des sogenannten Settlement seine Wurzeln hatte. Die Bewegung entstand in England.
Textauschnitte aus: Das Schlösschen Klybeck, Roger Jean Rebmann , 2012. Bildmaterial von: http://www.viavia.ch/industrie/pmwiki.php/Arbeiterbewegung/HeinerKoechlin

Das Klybeckschlössli an der Klybeckstrasse 248, Ende der 1920er-Jahre
Das Klybeckschlössli an der Klybeckstrasse 248, Ende der 1920er-Jahre

 

Kern des Gedankens war es, dass sich Leute aus der Schicht des Wohlstandes in den ärmlichen Quartieren der Arbeiter ansiedelten (englisch “to settle” > Siedeln). Dort sollten sie mit ihren Nachbarn Bildung und Wissen teilen. Die Begüterten sollten diese Bausteine des sozialen Aufstiegs auf diese Weise an die Proletarier weiterreichen. Mit Toynbee Hall und Oxford House wurden im Jahr 1884 jene Settlements in London gegründet, die zum Vorbild für weitere solche Einrichtungen wurden.

Im Sinne dieser Bewegung stand auch die Ulme von Eduard Koechlin. Zunächst vereinigte sie lediglich einige Jugendliche und Kinder. Doch die Gruppe wuchs und konnte Kurse für Nähen, Kochen, Fremdsprachen, Krankenpflege und weiteres anbieten. 1928 wurden Räumlichkeiten im Schlösschen Klybeck für die Kurse der Ulme für rund 100 Mädchen verscheidener Altersgruppen gemietet. 1931 konnte die Vereinigung das gesamte Anwesen übernehmen, womit Räume gewonnen waren um Kurse für Knaben anzubieten.

Artzhaus Eduard Köchlin
Blick auf das Arzthaus an der Kleinhüningerstrasse 55

Das Schlösschen stand hart an der Peripherie des herangewachsenen Arbeiterquartiers Klybeck. Hier lebten die Arbeiter und Arbeiterinnen der Basler Chemiefabriken und Färbereien. Über 10 Stunden täglicher Mühsal in Betrieben die einem die Kleider, die Haare und die Haut verfärbten. In den Farbmühlen gehörte Blasenkrebs zu einer der häufigsten Todesursachen. [30] Es verwundert nicht, das zwischen die tristen Mietskasernen des Klybeck eine Wiege der Basler Arbeiterbewegung stand.

Ausserhalb des Klassenkampfes bewegte sich die Ulme. Sie verfolgte das Ideal von der Vereinigung der Menschen über die Klassenschranken hinweg auf der Basis ge- genseitigen Verständnisses. Mitte der 1930er Jahre konnte die Ulme im Winter meh- rere hundert Leute zu verschiedenen Angeboten im Schlösschen begrüssen. Zugleich begannen in der Depression staatliche Einrichtungen und andere Institutionen ver- mehrt soziale Aufgaben wahrzunehmen. Das Betätigungsfeld der Ulme schrumpfte.

Das Klybeck verliert sein Schlösschen

Mit der Reduktion der Aktivitäten der Ulme ging schliesslich 1937 das Verlassen des Schlösschen Klybecks einher. Den Schlossweiher hatte das Anwesen schon im ausgehenden 18. Jahrhundert verloren. Im Jahr 1945 wurde das heruntergekommene Baudenkmal per Zeitungsinserat zum Verkauf angeboten. Unter seinem Pseudonym “Johannes Brandmüller” beschrieb der Basler Journalist und Mundartpoet Robert Balthasar Christ (1904-1982) damals den traurigen Zustand des Klybeckschlösschens:

“… Ein grässliches Vordach schützt die hässliche Haustür. Wäsche hängt im Hof. Velos lehnen am Schloss; Geschirrlumpen zieren die Fenstersimse. Nur im Treppenhaus finden sich noch passabel erhalten und neueren Datums Wappenmalereien, die Wappen zahlreicher ehemaliger Besitzer … Wer möchte heute Schlossherr sein, wenn aus jedem Fenster der Blick an nüchterne Mietshäuser stösst? … Z’Basel stoht e Schlessli, Bhiet mer Gott my Schlessli au!”

Der fromme Wunsch von Christ war vergebens. Das historische Bauwerk, um welches sich mittlerweile Wohnblöcke des Quartiers und die Fabrikbauten der Basler Chemie breit gemacht hatten, war zu einem störenden Relikt einer vergangenen Epoche ge- worden. 1955 riss man es ab um das Areal zu überbauen. Heute ahnt man an der 1896 benannten Schlossgasse, dass sie in früheren Tagen zum Schlösschen Klybeck führte. Im Namen des Klybeckquartiers lebt das “Schloss Cluben” als fahle Erinnerung fort.

Der Aufsatz wurde publiziert: http://altbasel.ch/downloads/altbasel_schloesschen-klybeck.pdf