So sieht Verdichtung aus

Ein Dokumentarfilm im Schweizer Fernsehen zeigt, wie in Zürich und Tokio aussergewöhnliche Häuser gebaut werden für Menschen, die neue Wohnformen erproben wollen.
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Das Moriyama House in einem Vorort von Tokio ist die gebaute Vision vom Haus als Stadt. Foto: NZZ Film

Etwa in der Mitte des Dokumentarfilms lacht dieser unscheinbare Japaner und sagt: «Ich bin ein gefährlicher Architekt.» Und ausgerechnet er soll in Zürich ein Milliardenprojekt realisieren? Riken Yamamoto hat den Circle geplant, den ­Luxuskomplex für Hotels, Büros und Geschäfte beim Flughafen Zürich. 2015 soll mit dem Bau begonnen werden. Aber dieser Riken Yamamoto kann auch anders, vor allem Konventionen brechen. Die Zürcher Filmemacherinnen Cristina Karrer und Patricia Wagner haben ihn für ­ihren «NZZ-Format»-Film «Zürich–Tokio: neue Wohnformen» interviewt.

ein Beitrag von Erika Burri, Film ansehen im NZZ Formant

Zürich mit Tokio zu vergleichen, ist eine ziemlich waghalsige Angelegenheit. Tokio ist mit seinen 36 Millionen Einwohner 90-mal grösser als unsere «little big city». So unterschiedlich die Städte auch sind, es gibt Gemeinsamkeiten: Beide suchen nach Wohnformen für Menschen, die (noch) näher zusammenrücken müssen. Verdichtetes Bauen, davon reden alle, davon reden auch die beiden Frauen im Film. Und dazu zeigen sie Bilder wie solche von Yamamotos Siedlung im ­Tokioter Stadtteil Shinonome. Sie erinnert ein wenig an die Wohn- und Gewerbesiedlung Kalkbreite in Zürich: Öffentlicher und privater Raum fliessen ineinander, Bewohner und Besucher treffen sich auf Plätzen. Die Hauseingänge sind aus Glas, der Übergang von öffentlich zu privat ist also transparent.

So ein Quartier mit Fussgängerzone, öffentlichen Plätzen und Gewerbe ist für Japan noch ziemlich revolutionär. In Zürich hat man sich an die Idee gewöhnt. Vor dem Bau in der Kalkbreite war die 2001 fertiggestellte Siedlung der Genossenschaft Kraftwerk 1 neben dem alten Hardturmstadion das Vorzeigeprojekt schlechthin. Bald wird man auf die Genossenschaft Mehr als Wohnen schielen, die in Zürich-Leutschenbach ein neues Quartier für 1300 Menschen baut. Hier wird anders gewohnt: unter anderem in Gross-WG und Cluster-Wohnungen, Jung und Alt gemischt. Die Filmemacherinnen gingen mit dem Geschäftsleiter Bereich Bau der Siedlung, Andreas Hofer, auf die Baustelle. Der Architekt ist kein Unbekannter in Zürich, wenn es um neue Wohnformen geht. Er hat die Genossenschaft Kraftwerk 1 mitgegründet. Nun steht er in der Siedlung und erzählt von den Herausforderungen von Mehr als Wohnen: Die Feuerpolizei kam bei der Abnahme der ersten Häuser ins Schwitzen, weil es da Wohnstrukturen gibt, die sie so noch nie angetroffen hat.

Das Ende der Individualisierung?

Sind es Wohnhäuser oder Hotels? Für nicht wenige, die dort Mitte November einziehen werden, ist es schlicht die Zukunft: Sie verzichten auf Platz, geben ein Stück Individualität auf. Dafür erhoffen sie sich mehr Lebensqualität. Die Off-Stimme im Film fragt, ob das Zeitalter der Individualisierung an ein Ende gekommen ist, deren Kehrseite Einsamkeit ist. Der will man mit neuen Wohnformen sowohl in Zürich als auch in Tokio entgegenwirken. Das ist vermutlich das, was Riken Yamamoto als «gefährlich» bezeichnet. Seine urbanen Siedlungsprojekte fordern gesellschaftliches Umdenken. Und Umdenken war schon immer eine Herausforderung. Hochhäuser, das macht der Film klar, sind keine Alternative: zu gross, zu unpersönlich, zu stark Fremdkörper in einer organisch gewachsenen Stadt.

In Zürich, das zeigt der Film, geht man bei den Wohnexperimenten weiter. In Japan ist die Architektur dafür spektakulärer. Vor allem diese Minihäuser: Für viele Zürcher, tief in ihrem Innern ja auch noch ländlich, wäre so ein Haus mit gerade einmal 25 Quadratmeter Grundfläche allerdings mehr als eine Herausforderung. Trotzdem schade, dass die hiesige Bauverordnung das Experiment gar nicht ermöglicht.

«NZZ-Format»: «Tokio–Zürich: neue Wohnformen», 2014

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